Mehr als ein einfacher Gebrauchsgegenstand

Anfang des 15. Jahrhunderts als Weiterentwicklung unterschiedlicher Vorgänger entstanden, gilt das Katana heute nicht nur als Waffe, sondern auch als Gegenstand höchster Handwerkskunst.

Das Katana hat, in Abgrenzung zum europäischen Schwert, eine gebogene Klingenform. Mit einer Klingenlänge von ca. 74 cm wird es sowohl ein- aber auch zweihändig geführt. Dies ist dem relativ geringen Gewicht zu verdanken, das in etwa mit einhändigen europäischen Waffen vergleichbar ist. So wiegt ein Katana regelmäßig nur etwas mehr als ein Kilogramm.

Das Schmieden eines Katana kann bisweilen mehrere Wochen dauern. Begonnen wird dabei mit der Herstellung des Stahls in einem japanischen Rennofen (jap. Tatara). Hier wird Eisensand zusammen mit Holzkohle geschmolzen. Dabei entsteht eine kohlenstoffangereicherte Luppe, das Tamahagane.

Anschließend wird das Tamahagane in kleinere Stücke zerbrochen und zu einem Block zusammengefügt. Die kleinen Bruchstücke werden zusammengeschweißt. Dabei werden sie mit einer Schlacke aus Schlamm und Asche begossen. Durch vielfaches Ausschmieden entsteht ein homogener und von Einschlüssen sowie Unreinheiten befreiter Raffinierstahl. Entwickelt wurde diese besondere Technik, um den inhomogenen Grundstoff zu veredeln und zu optimieren. Um den im Stahl enthaltenen Kohlenstoff gleichmäßig zu verteilen, wird er mehrfach gefaltet indem der Block immer wieder eingeschnitten und zu einem neuen Block zusammengelegt wird. Durch das Falten entsteht das für das japanische Schwert bekannte Muster im Stahl, das Hada.

Die Klingenkonstruktion ist ebenso vielfältig, wie das Hada. Es gibt eine Vielzahl an Klingenkonstruktionen. Die gängigste heißt Kobuse. Hier wird ein härterer Stahlmantel um einen weicheren gelegt und verschweißt. Weitere Konstruktionen wären beispielsweise Honsanmai und Shihozume, bei denen lediglich der Schneideteil der Klinge aus hartem Stahl besteht.

Nachdem das Schwert ausgeschmiedet wurde, wird es gehärtet. Hierzu wird das im jetzigen Zustand noch gerade Katana mit einem speziellen Lehmgemisch aus Tonschlamm, Holzkohlepulver und weiteren Zutaten bestrichen und dann im Feuer auf Härtetemperatur gebracht. Ist die gewünschte Temperatur erreicht wird das Schmiedestück schnell in warmen Wasser abgekühlt. Durch das Abkühlen entsteht die bekannte Krümmung des Schwertes, da sich die unterschiedlichen Teile des Schwerts verschieden schnell abkühlen. Darüber hinaus kann danach das Hamon, die Härtelinie gesehen werden, die der Schmied vorab durch das Auftragen des Lehmgemischs festgelegt hat. Hier zeigt der Schmied unter anderem auch sein Verständnis seines ausgeübten Kunsthandwerks, sodass es viele unterschiedliche Arten an Hamons gibt. Am gängigsten sind dabei das Notare und Gunome Hamon sowie deren Varianten, denen allen gemein ist, dass sie ein Wellenmuster aufweisen. Weitere Arten wie beispielsweise Sughua, das eine gerade Linie zeigt, sind aber ebenso bekannt. Der Poliseur (jap. Togishi) sorgt dafür, dass nachdem der Schmied seine Arbeit erledigt hat, das Hamon perfekt zur Geltung kommt. In der Regel arbeiten viele Schmiede daher immer mit einer festen Mannschaft zusammen, die ihren Stil kennen und schätzen, sodass am Ende ein besonderes Werk der Zusammenarbeit entsteht, bei dem die eine Seite die Kunst der anderen erst vollständig zum Vorschein bringt.

Zur Mannschaft gehören ebenfalls Handwerker, die die restlichen Teile des Schwertes, das Koshirae, erstellen. Hierzu gehören der Griff samt Griffwicklung, die Tsuba (das Stichblatt oder Parierstück des Schwertes), die Menuki (Einlagen unter der Griffwicklung) sowie Fuchi (Endstück vor der Tsuba) und Kashira (Endstück des Griffs).

Mittlerweile hat sich unter Schwertsammlern und Sachverständigen eine Haltung entwickelt, die alle unterschiedlichen Bauteile des Schwertes schätzt. So ist zwar vornehmlich die Gestaltung der Klinge und deren Schmied für die Begutachtung und die Wertschätzung maßgeblich, doch alle weiteren Teile der Montierung spielen ebenso eine Rolle. Immer öfter gibt es auch eigenständige Ausstellungen von Montierteilen, sodass diese auch, je nach Alter und Machart, für viele Tausend Euro gehandelt werden.

Warum das japanische Schwert vor allem im westlichen Kulturkreis als besonders hochwertig angesehen wird, ist schwer zu erklären. Vornehmlich hat dies mit einer Reihe an Missverständnissen zu tun. So wird regelmäßig die Anzahl der Schwertlagen gleichgesetzt mit der Anzahl an Faltprozessen, sodass vielfach davon ausgegangen wird, dass ein Katana mehrere tausend Male gefaltet wurde. Dies ist jedoch sachlich falsch. Schon bei einer fünfzehnfachen Faltung besitzt der Stahl über 30.000 Lagen. Zudem wird dem japanischen Schwert nachgesagt, dass es in Qualität und Schneidkraft anderen Schwertern überlegen sei. Oftmals wird dies mit den Lagen und dem Hada begründet, die mit der europäischen Schmiedetechnik des Damaszierens gleichgesetzt werden. Doch auch dies ist sachlich nicht korrekt, denn das Hada entsteht hier direkt aus dem Faltprozess und nicht durch das Verschweißen unterschiedlicher Stahllagen in der Klinge. So bleibt festzuhalten, dass das Katana, vor allem im Gegensatz zu europäischen historischen Blankwaffen, noch heute eine lebendiges Teil des Kunsthandwerks ist. Doch auch europäische Schmiede im Mittelalter waren in der Lage, Klingen zu falten und besonders kunstvoll zu verzieren. So zeigt sich der wohl größte Unterschied in der durchgängigen Kultur des Handwerks und vor allem in der Wertschätzung dieser durch seine Bevölkerung und weite Teile der restlichen Welt.

Für den Bushi oder modernen Iaidoka oder Kenjutsu-Übenden ist das Schwert sogleich Gebrauchsgegenstand und Kunstwerk, Werkzeug zur Fokussierung und Konzentration sowie Barometer für das eigene Verhalten in der Ausübung seiner Kampfkunst. Ein Stück seiner Seele und gleichwohl nur ein Stück Metall.

Autor: Tim S. Schmidt

Bilder: Meisterwerke vom Seelenschmied „Stefan Roth“

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